Zu einer wahrhaft ungewöhnlichen Begebenheit kam es am 8. März 1975, an jenem Tag trat in der DDR Oberliga der FC Hansa Rostock daheim gegen den FC Carl Zeiss Jena an. In der DDR war der 8. März ein besonderer Tag, nämlich der Frauentag.

Die Rostocker spielten eine bis dahin schlechte Saison, nach 15 Spieltagen stand man (die DDR Oberliga spielte mit 14 Mannschaften) mit 11:19 Punkten auf dem 12. Platz und empfing den Tabellenzweiten. Die Voraussetzungen für einen Punktgewinn der Hanseaten waren also nicht die Besten, und es kam, wie es kommen musste: bereits nach 21 Minuten lagen die Rostocker mit 0:2 hinten. 

Dies wiederum gefiel Harry Tisch, hoher Funktionär der SED und dem Präsidium des FC Hansa nahestehend, überhaupt nicht – und er ließ in der Halbzeitpause (!) den Rostocker Trainer Heinz Werner zu sich zitieren. Mit den Worten „was setzt Du mir hier für einen Scheiß vor?“ begann der angetrunkene Tisch eine Schimpftirade, die nichtmal eine halbe Minute dauerte und mit der Entlassung Werners endete. 

Harry Tisch hatte die Macht dazu – er galt als der Initiator der 1954 stattgefundenen Zwangsumsiedlung von Empor Lauter nach Rostock, woraus später der FC Hansa entstand.

Heinz Werner indes setzte sich in der zweiten Halbzeit zwar wieder auf die Bank (es blieb beim 0:2) und trainierte in den Tagen darauf die Mannschaft weiter – aber eine Woche später wurde er tatsächlich verabschiedet. Den Abstieg konnte sein Nachfolger Helmut Hergesell schließlich auch nicht mehr verhindern. Heinz Werner arbeitete nach seiner kuriosen Entlassung in Rostock noch viele Jahre als erfolgreicher, geschätzter und beliebter Trainer weiter.

Auch heute noch geht er, mittlerweile 87 Jahre alt, regelmäßig ins Stadion, zum 1. FC Union Berlin, dessen Ehrenmitglied er ist. Und nach jedem Sieg spendiert er Union-Trainer Urs Fischer eine Flasche Sekt. Harry Tisch hingegen starb bereits 1995 als verurteilter Verbrecher.

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